Agrarkommunikation kompakt
News, Interviews und Berichte aus der Agrarbranche.
Volatilität ist die neue Realität
Kurzfristige lokale Schocks und langfristige globale Megatrends: Die Landwirtschaft muss sich auf gravierende Veränderungen einstellen. Das wurde auf dem Symposium 2024 „Mehr Resilienz und Wandel – Strategien für Agrarwirtschaft und Politik“ der Edmund Rehwinkel-Stiftung Mitte Juni deutlich. „Volatilität ist die neue Realität“, sagte das Vorstandsmitglied der Stiftung, Prof. Uwe Latacz-Lohmann, zur Eröffnung der Tagung in Berlin.
Als kurzfristige Effekte führte Latacz-Lohmann die Corona-Pandemie, den Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Afrikanische Schweinepest (ASP) aber auch unerwartete Politikänderungen an. Als langfristige Stressfaktoren kämen darüber hinaus der Klimawandel, die Digitalisierung und der demografische Wandel hinzu. Die Vorstandsvorsitzende der Edmund Rehwinkel-Stiftung und Vorstandssprecherin der Landwirtschaftlichen Rentenbank, Nikola Steinbock, rief dazu auf, die im Sektor herrschenden „Erstarrung“ angesichts der vielen Herausforderung zu überwinden. Es brauche dazu „kleine Schritte“, die im Konsens entwickelt und gegangen werden. Sie appellierte an die Gäste: „Wir müssen aufhören, zurückzublicken und vergeblich zu hoffen, dass alles wieder so wird wie früher. Schauen wir vielmehr nach vorne, in die Zukunft. Denn nur so können wir neue Wege gehen und uns widerstandsfähig aufstellen - und nur so werden wir auch in Zukunft erfolgreich sein.“ Steinbock bekannte sich zur Diversität sowohl in der Gesellschaft als auch in der Landwirtschaft. Die Vorstellung, dass in der künftigen Landwirtschaft nur große Betriebe überlebensfähig sein werden, wies sie zurück.
Balmann: Strukturwandel zulassen
Prof. Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle hat einen etwas anderen Denkansatz. Durch aus seiner Sicht falsche agrarpolitische Weichenstellungen würden Strukturen konserviert und Veränderungen blockiert. Als ein Beispiel nannte er u.a. den Widerstand der Bayerischen Landesregierung gegen ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung. Für viel Geld würden mit solchen Maßnahmen unvermeidliche Anpassungen hinausgezögert.
Auch die veränderte Weltlage mache den Strukturwandel unimgänglich. Gestiegene Verteidigungsausgaben und Investitionsbedarfe bei Infrastruktur und Klimaschutz seien keine „temporären Ereignisse“, sondern belasteten die öffentlichen Haushalte dauerhaft. Hinzu komme der Fachkräftemangel.
Unter diesen Bedingungen erscheine es unrealistisch, die Landwirtschaft auch künftig zu den heutigen Konditionen finanziell zu stützen, so Balmann. Seiner Einschätzung nach sind die Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und der Borchert Kommission auch daran gescheitert, dass sie letztlich auf noch mehr öffentliche Förderungen hinausgelaufen wären.
Quelle: Landwirtschaftliche Rentenbank und agra-europe
Reuters Institute Digital News Report 2024
Zwei Drittel (66%) der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland erwarten von den Nachrichtenmedien, dass diese ihnen verschiedene Perspektiven zu aktuellen Themen bieten, doch weniger als die Hälfte (43%) sieht diese Leistung als gut erfüllt an. Noch schlechter schneiden die Nachrichtenmedien ab, wenn es darum geht, die Menschen optimistischer auf die Welt schauen zu lassen; zugleich wird dieser Aspekt allerdings als weniger wichtig erachtet. Die wichtigsten Funktionen der Nachrichtenmedien aus Sicht der Befragten sind, dass sie über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden gehalten werden und mehr über verschiedene Themen und Ereignisse erfahren.
Das sind Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2024, für dessen deutsche Teilstudie das Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg verantwortlich ist. Insgesamt basiert die Studie auf fast 100.000 Befragten aus 47 Ländern auf sechs Kontinenten. Die Befragung in Deutschland wurde im Januar 2024 durchgeführt.
Seit 2012 untersucht der Reuters Institute Digital News Survey jährlich über Repräsentativbefragungen in mittlerweile 47 Ländern generelle Trends und nationale Besonderheiten der Nachrichtennutzung. Das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut ist seit 2013 als Kooperationspartner für die deutsche Teilstudie verantwortlich; die Erhebung im Jahr 2024 wurde dabei von den Landesmedienanstalten und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) unterstützt.
Growth Alliance Networking Summit 2024: Zukunftsfähigkeit der Agrarbranche im Fokus
Über 200 Vordenker und Pioniere der internationalen Agrar- und Ernährungswirtschaft trafen sich im Juni zum zweiten Growth Alliance Networking* Summit - GANS 24 - in Frankfurt am Main. Unter dem Motto „Future Farming“ standen bei über 30 Vorträgen und Panel-Diskussionen die Themen pflanzliche Eiweißquellen, Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und der Transfer von Innovationen in die Praxis im Mittelpunkt. Das GANS wurde von der Landwirtschaftlichen Rentenbank gemeinsam mit dem Innovationszentrum TechQuartier veranstaltet.
„Um in einer sich ständig verändernden Welt erfolgreich zu bleiben, braucht es Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit. Aber auch transformative Resilienz, also die nachhaltige Ausrichtung an den massiven Herausforderungen, die vor uns liegen. Das bedeutet auch, alte Pfade zu verlassen und innovative Wege zu gehen. Start-ups und ihr disruptiver Ansatz leisten dabei einen wichtigen Beitrag, denn Innovation und Veränderung sind zentrale Bestandteile ihrer DNA“, so Nikola Steinbock, Sprecherin des Vorstands der Rentenbank.
„Als starker Partner der grünen Branche ist die Förderung des Start-up-Ökosystems für die Rentenbank daher ein wichtiger strategischer Baustein. Mit dem GANS bieten wir den Vordenkern und Pionieren der Branche eine Plattform zum Austausch und zur Vernetzung, denn nur gemeinsam können wir die Zukunftsthemen der Agrarwirtschaft erfolgreich angehen.“
Dr. Sebastian Schäfer, Managing Director des TechQuartiers, ergänzt: “Das Growth Alliance Networking Summit hat einmal mehr gezeigt, dass das AgriFood-Ökosystem in Deutschland zusammenwächst. Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem GANS allen zukunftsweisenden Ideen eine Bühne bieten und einen lebendigen Austausch in Frankfurt ermöglichen konnten.”
Neben den Vorträgen und Panel-Diskussionen wurde mit alganize auch der Sieger des diesjährigen Growth Alliance Start-up Bootcamps ausgezeichnet. Das Team setzte sich im Pitch gegen die beiden anderen Demo Day-Finalisten Plant Shield und ONOX durch. Alganize nutzt Mikroalgen, um das Mikrobiom in Böden zu regenerieren. Durch die verbesserte Bodenstruktur wird die Nährstoffverfügbarkeit erhöht und die Pflanzenproduktivität wird optimiert.
Wie Journalismus Pflanzen zum Sprechen bringt
Wiesen können auf Whatsapp chatten und von ihrem Sommer erzählen. Zumindest an der Hochschule Darmstadt. Dafür haben Studierende Sensorjournalismus, Dialog und KI in dem Projekt "Pflanzendialoge" zusammengebracht. „Fett, Fetter, Ferdi. Hey, ich bin Ferdinand, der Vierte. Für dich heiße ich Ferdi und bin die coolste Wiese überhaupt. Wanna chat?“
Ferdi ist eine Wiese, er wächst in einem Hochbeet der Hochschule Darmstadt. Genauer gesagt ist Ferdi eine sprechende Wiese. Sensoren lesen den Zustand der Wiese aus, Computer spinnen aus den Daten Erzählungen. An diesem Projekt maßgeblich beteiligt ist auch Dr. Jakob Vicari, der in der Agrarszene bereits 2017 für Aufregung sorgte mit seinem Sensorjournalismus. Er begleitete drei „Superkühe“ rund 30 Tage lang und „vermaß“ diese mit Sensoren. Die Messdaten hat Vicari dann zu Texten verarbeitet. Auf der Basis dieser Texte erhielten Nutzer die Möglichkeit, per Chatbot mit den Kühen zu kommunizieren und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Jetzt hat das Team rund um Vicari also Wiesen auf WhatsApp zum Chatten gebracht.
Geleitet haben die Lernagentur neben dem Sensorjournalist und Mitbegründer des Innovationslabors tactile.news, Jakob Vicari, Sebastian Pranz, Professor für Technologieentwicklung in der Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt.
Die Autorin Carla Moritz hat das Projekt "Pflanzendialoge" in ihrem Beitrag ausführlich dargestellt.
In der Cross media-Reportage "Pflanzendialoge" erzählen die Wiesen von ihrem Sommer.
Frischer Wind in der „Bauernbank“
Die Landwirtschaftliche Rentenbank verändert ihr Gesicht. Zukunftsweisende Inhalte und strukturelle Veränderungen innerhalb des Hauses gehören dazu. Ein modernes Corporate Design kommuniziert die neue „Haltung“ nach außen. Vor allem aber ist die Rentenbank weiblicher geworden. Auch darüber sprach VDAJintern mit Nikola Steinbock, der neuen Vorstandssprecherin der Rentenbank.
Wer füttert das Orakel von Delphi?
Künstliche Intelligenz wird die kommunikativen Branchen verändern – hier sind sich alle Experten einig. Wer Systemen wie ChatGPT beim flüssigen Formulieren am Bildschirm mal zugeschaut hat, wird dies kaum bestreiten. Nur wie und wo genau das von statten gehen soll, darüber scheiden sich noch die Geister. Und auch die Frage, was es für eine demokratische Gesellschaft und deren Meinungsbildung bedeuten kann, ist auch noch unklar.
Die Trends sind aber schon längst sichtbar, schließlich haben wir viele Jahre mit „halbautomatischer Intelligenz“ schon hinter uns. Via Suchmaschinen und sozialen Medien zimmern sich die Menschen ihre Weltbilder zusammen. Hatte einst die Journaille die Hoheit auf das Meinungsspektrum inne, so stieg durch frei verfügbare Informationen im Internet die Anzahl von unterschiedlichsten Haltungen zu allen Themen des Tages. Und wer räumt die Komplexizität des medialen Alltages auf? In den sozialen Medien hilft man sich unter Gleichgesinnten gegenseitig, den Überblick über „das im Internet Gefundene“ zu behalten.
Selbst unter Journalisten ist eine Internet-Recherche sehr oft die Ausgangsbasis für jede weitere Arbeit. Die Fragen „Woher sind die Informationen?“ und „Wer hat ein Interesse, dass diese frei verfügbar sind?“ mögen Medienschaffende vielleicht noch berücksichtigen – ein Otto-Normal-Surfer ist im Internet damit meist überfordert. Und hier beginnt eben das Problem, das auch beim Einsatz von KI-Systemen für deren Leistungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit wichtig ist: Welche Quellen werden überhaupt berücksichtigt? Wer füttert das heutige Orakel von Delphi mit welcher Wissensbasis?
Bei einer Suchmaschinen-Recherche landet man oftmals vor Beiträgen, die hinter einer PayWall stehen ohne deren Aussagen vollständig lesen zu können. Online-Redaktionen sichern dahinter oft ihre hochwertigsten oder arbeitsaufwendigsten Beiträge vor dem Zugriff aller. Auch bei wissenschaftlichen Publikationen halten die Fachverlage die kompletten Informationen von Studien, Metastudien etc. oft hinter einer Bezahlschranke zurück. Die Folge: Kostenlose, oft propagandistische Informationen dominieren das Internet – mit allen Folgen für die gesellschaftliche Meinungsbildung. Organisationen wie Greenpeace haben dies verinnerlicht und locken daher zusätzlich mit Suchwortanzeigen zu bestimmten Themen die Nutzer in Suchmaschinen zu deren Kampagnenseiten. Die fachlichen und wissenschaftlichen Stimmen im Internet hört man nicht, weil sie kaum gefunden werden.
Die Erfinder von ChatGPT sagen nun auch, sie greifen auf das zu, was frei im Internet verfügbar ist. Somit potenziert sich das Problem „Bullshit in – bullshit out“ auf die Arbeit von KI-Systemen.
Fragt man zum Beispiel ChatGPT auf Deutsch danach, welche Landwirtschaft die beste sei, erhält man andere Antworten als wenn die Frage auf Englisch formuliert ist. Die Präsenz und Tendenz von deutschsprachigen Informationen im Internet zur Frage, „bio oder konventionell?“ ist auch in der KI zu spüren: „Bio“ ist besser. Differenzierter antwortet der Bot, wenn man auf Englisch fragt: Hier taucht sogar das Wort „hybrid“ im Zusammenhang mit Landwirtschaft auf.
Wer möchte, dass eine KI wie ChatGPT Fragen zur Landwirtschaft fachlich korrekt beantwortet, sollte schleunigst seine Info-Bibliotheken für die KI-Anbieter öffnen – insbesondere wissenschaftliche Einrichtungen. Fachverlage müssten durch Lizenzmodelle an der Verbesserung von KI-Systemen beteiligt werden.
Die Antworten von KI-Systemen werden überall Einzug in unseren Alltag finden. Die möglichen Einsparungen an Kosten und Zeit sind zu verlockend. Und Künstliche Intelligenz wird auch Einfluss auf die Meinungsbildung in einer Demokratie haben. Denn heute wie im Altertum sind die Menschen auf der Suche nach einer – möglichst einfachen und bequem zu erreichenden – Wahrheit.
Rainer Winter
Termine
IFAJ World Congress 2025
IFAJ World Congress 2025 in Nairobi, Kenia
Details zum Termin