Auf der Suche nach Deutschlands Nationalgetränk

Erstellt am Dienstag, 23. April 2013 15:27

Der Kupferkessel hat ausgedient

Vom Korn zum Bier: Der Landesverband Baden-Württemberg besuchte die Dinkelacker-Brauerei in Stuttgart und machte überraschende Entdeckungen.

Denn ein gutes Bier braucht Zeit, es wird ihm heiß und kalt und nicht zuletzt ist eine Brauereiführung ebenso interessant wie lecker. Dass Bauern wesentlich zu Deutschlands Nationalgetränk beitragen, war nicht nur zu sehen, sondern auch zu riechen. Das Sudhaus, die erste Station, durchströmte schon einmal der Duft nach frischem Getreide.

In den drei Kesseln wird bereits festgelegt, was für ein Bier am Ende herauskommt. Dazu wird das Korn, schon in der Form von Malz, aber erst einmal mit Wasser vermischt und dann erhitzt. Das kann bis zu drei Stunden dauern, erfuhr die staunende Gruppe, die die Zutaten genau betrachtete. Obwohl Hopfen und Malz je nach Jahrgang und Jahreszeit anders sind, müsse das Bier immer gleich schmecken, erzählte Werksführer Philipp Himmel. Eine enorme Aufgabe für die Braumeister.

Da ist schon am Anfang Sorgfalt und Können gefragt. Der heißen Maische wird nach dem Filtern der Hopfen zugesetzt, schon die dritte der nur vier Zutaten für Deutschlands Nationalgetränk. Doch das geschieht in Stuttgart viel weiter oben. Daher wanderte das knappe Dutzend Baden-Württemberger Agrarjournalisten der Brühe hinterher, die einmal Bier werden sollte. Da ging es treppauf durch den Gründerzeit-Klinkerbau, denn die Dinkelacker-Brauerei ist mehr als 100 Jahre alt. Und bei ihrem Bau lag sie noch am Stadtrand. Der Berg lockte damals Firmengründer Carl Dinkelacker und auch darin steckt ein spannendes Stück Industriegeschichte: Denn gutes Bier musste schon immer gekühlt werden, das von Dinkelacker geplante Pilsener war in der Hinsicht besonders empfindlich. Denn der Brauereigründer hatte es sich in den Kopf gesetzt, untergäriges Bier zu brauen. Das gilt als besser, ist aber auch komplizierter herzustellen, denn es braucht eben kühle Temperaturen. Im Berg an der Tübinger Straße ließ sich die empfindliche Ware gut lagern, die Bierkeller wurden tief in die so genannte Karlshöhe gehauen. Trotzdem wurde im Sommer noch Eis in die Keller gepackt, erzählte Philipp Himmel. Und bis zur Erfindung der Eismaschine war das Natureis, im Winter geschlagen aus den Seen der Umgebung. Im Sommer waren die Bierkeller einer der beliebtesten Arbeitsplätze. Im Winter froren die Brauer dagegen  erbärmlich, trotz dicker Kleidung und Handschuhen. Bis heute ist einer der ursprünglichen Bierkeller erhalten und genau so frostig wie damals: Frierend stand die Landesgruppe in dem saalgroßen Raum, in dem das erste Dinkelacker-Pilsener gelagert wurde. Das gibt es seit 1900, zwölf Jahre nach der Gründung gelang es Carl Dinkelacker, das erste Pils zu brauen.

Doch bevor es aus dem Gemisch von Hopfen, Malz und Wasser entsteht, muss noch Hefe zugegeben werden. Die ist bei untergärigem Bier sehr empfindlich, gerade mal zehn Grad Celsius vertragen die Hefebakterien. Doch aus dem Sudhaus kommt das Gemisch mit einer vielfach höheren Temperatur. Daher wird die Brühe gekühlt, damit die Hefebakterien ihre Arbeit aufnehmen können. Und da lauerte die nächste Überraschung: Denn die Kühlung besorgt ein einziges Gerät, der Würzekühler. Gerade mal so groß wie ein durchschnittlicher Kleiderschrank laufen dort jährlich 800000 Hektoliter – die gesamte Jahresproduktion – hindurch.

Das Sudhaus im Erdgeschoss, der Würzekühler im fünften Stock, das verrät schon den langen Weg des Gebräus und das Leiden der Brauer. Denn nach jedem Brauvorgang müssen die Rohrleitungen geputzt werden. Das gehöre zu den meistgehassten Aufgaben der Brauer und Mälzerlehrlinge, wie die Ausbildung bis heute heiße, schmunzelte Himmel. Und das Putzen dauert lange, kein Wunder bei etwa 20 Kilometer Rohrleitungen.

Wenn die Hefebakterien sich auf das Gebräu stürzen, ist die Arbeit fast getan. Wenn alles klappt, dann wandeln sie den Malzzucker in Alkohol um, das ist die eigentliche Gärung, da wird das Bier geboren. Die Hefe wird abgezogen, bei obergärigem Bier wie Hefeweizen schwimmt sie oben, bei untergärigem wie Pils sinkt sie nach unten. So erklären sich auch die Bezeichnungen.

Die Gärung dauert beim Pils etwa sieben Tage, etwa zwei Wochen nimmt die Nachgärung in Anspruch. Das so genannte Jungbier lässt sich schon gut trinken, das stellten die Agrarjournalisten mit Genugtuung fest. Sechs Wochen Lagerzeit und Filtern folgen, dann wird das Bier in Flaschen und Fässer abgefüllt.

Die Abfüllanlage erwies sich dann noch als etwas Besonderes: Denn das Bier der Dinkelacker-Brauerei wird zum Teil in Bügelflaschen abgefüllt. Schier endlos wanderten die Flaschen übers Band, ab und zu krachten kaputte Flaschen in den Abfallcontainer. „20.000 Flaschen pro Stunde schafft die Maschine“, erzählte Philipp Himmel. Das ist nur etwa ein Drittel der Kronkorkenabfüllanlage, weil die Gummis der Bügelverschlüsse geprüft und ausgetauscht werden. Doch für den guten Geschmack tun sie in Stuttgart einiges, davon konnten sich die Agrarjournalisten bei der anschließenden Bierprobe überzeugen. Und Zeit gehörte auch beim Genießen dazu. Dabei trinken die Deutschen längst mehr Kaffee als Bier. Zumindest an diesem Abend war das aber anders.

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Sechs Wahrheiten zur Dinkelacker-BrauereiMitarbeiter: Die Dinkelacker-Brauerei beschäftigt etwa 300 Mitarbeiter an zwei Standorten. Etwa 190 arbeiten am Stammsitz an der Tübinger Straße, davon 110 in der Brauerei. Circa 110 arbeiten in der Logistik, die Marken von Dinkelacker werden deutschlandweit getrunken.Konsum: Die fleißigsten Biertrinker Deutschlands kommen nicht aus Bayern, sondern aus Sachsen. Durchschnittlich 170 Liter pro Kopf und Jahr werden dort getrunken. Baden-Württemberg als traditionelles Weinland liegt beim Konsum mit 78 Litern weiter hinten. In den vergangenen Jahren hat sich das Bild zunehmend gewandelt, statt Bier werden zunehmend Biermischgetränke und aromatische Biere getrunken. Am meist trinken die Deutschen übrigens Kaffee – 150 Liter –, gefolgt von Wasser. Bier bringt es im Schnitt auf 106 Liter pro Jahr und Kopf.

Status: Die Dinkelacker-Brauerei besitzt etwa ein Prozent Marktanteil und braut etwa 800000 Hektoliter jährlich. Im Sommer wird rund um die Uhr gebraut. Sie ist seit 2007 wieder vollständig im Privatbesitz der Familie Dinkelacker und gehört zu den größten Privatbrauereien Deutschlands. Die Brauerei setzt vor allem auf regionale Zutaten, also Braugerste aus Baden-Württemberg, Wasser vom Bodensee oder Hopfen aus Tettnang.

Geschichte: Das Firmengelände besteht zumindest äußerlich seit der Gründung in nahezu unveränderter Form. Damals lag es noch am Stadtrand auf der grünen Wiese, heute liegt es in der Stadtmitte. Die Logistik haben die Stuttgarter allerdings in den Stadtteil Weilimdorf ausgelagert, dort wird die gesamte Produktion auf den Weg geschickt.

Rezeptur: Die Brauerei, deren Wahrzeichen drei Ähren sind, wurde 1888 gegründet, erst 1900 gelang es Carl Dinkelacker aber, ein Bier Pilsener Brauart zu brauen. Dinkelacker CD Pils wird seit 1900 nach dem gleichen Rezept gebraut, CD steht für die Initialen des Gründers Carl Dinkelacker.

Marken und Sorten: Insgesamt braut die Brauerei 17 Sorten Bier vom Pilsener bis zum Hefeweizen. Zu den Marken zählen Dinkelacker, Sanwald, Cluss und Wulle. Dinkelacker hat sich mit Schwaben Bräu zur Dinkelacker Schwaben Bräu GmbH & Co. KG zusammengeschlossen – auch die Biere dieser Marke werden unter dem Dinkelacker-Dach vertrieben.