Süße Früchte, scharfe Zwiebeln und edle Tropfen

Vom 6. bis 8. Juli besuchten 19 europäische Agrarjournalisten aus 12 verschiedenen Ländern die Pfalz. Sie informierten sich dort über den Wein- und Gemüseanbau. Schwerpunkte waren innovative Ansätze für eine nachhaltige Bewirtschaftung und regionale Vermarktungskonzepte. Die Pressereise wurde vom Europäischen Netzwerk der Landwirte (ENAJ) und dem Verband Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) organisiert.

Dass Weintrauben Pflanzenschutz brauchen, davon ist Christoph Siebert vom Weingut Siebert & Schenk in Grünstadt überzeugt, und das, obwohl er gerade auf ökologischen Weinbau umstellt. Er und sein Bruder Johannes bewirtschaften 40 Hektar Rebfläche. Synthetische Pflanzenschutzmittel sind somit verboten, zum Einsatz kommen aber Alternativen wie etwa Schwefel, Kupfer und Backpulver. "Dieses Jahr haben wir sehr schwierige Bedingungen und müssen die Trauben fast wöchentlich mit Backpulver behandeln", erläutert Christoph Siebert. Er beabsichtigt, in der Zukunft auch Piwis zu pflanzen, um dem Krankheitsdruck zu begegnen. "Die neuen Züchtungen benötigen weniger Behandlungen und verursachen somit auch weniger Kosten", sagte er. Für den Weg Richtung Bio gibt es für den Winzer keine Alternative. „Ich möchte mein Exportgeschäft ausbauen“, sagt er. „Mit konventionell angebauten Weinen ist es schwierig bis teilweise unmöglich, Fuß zu fassen“.

Prof. Dr. Reinhard Töpfer, Direktor des JKI Bundesforschungszentrums für Kulturpflanzen Geilweilerhof in Siebeldingen, sprach über die Forschungsaktivitäten des PIWI.
Foto: Seuser

Vineyard Cloud: Digitales Tool verbessert das Management 

Die beiden Brüder haben auch das digitale Management-Tool Vineyard Cloud eingeführt, um die Umstellung auf den ökologischen Landbau zu unterstützen. Das GIS-basierte Prozessmanagement ist besonders stark in den Bereichen der Tourenoptimierung, der Vernetzung mit intelligenten Sprühsystemen und der Dokumentation der Düngeverordnung. 

Siebert arbeitet eng mit Fabian Bartmann, dem Spezialisten für Vineyard Cloud der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG (RWZ), zusammen. Die RWZ ist über ihre Tochtergesellschaft Raiffeisen Ventures GmbH an der Vineyard Cloud GmbH beteiligt und hat die Entwicklung der Software, die konsequent auf die Anforderungen des Weinbaus zugeschnitten ist, maßgeblich mitgestaltet. "In vielen Gesprächen mit unseren Kunden haben wir gefragt, was eine sinnvolle digitale Lösung für ein Weingut können muss", erklärt Fabian Bartmann. "Diese Anforderungen aus der Praxis haben wir dann an die Softwareentwickler weitergegeben. Jetzt geht es darum, das praktische Tool ins Feld zu bringen." 

Fabian Bartmann, RWZ, (re.) erläutert den Einsatz der Vineyard Cloud, die Winzer Christoph Siebert einsetzt.
Foto: F. Krick

In einer anderen Ecke der Pfalz liegt das Weingut Hörner. Die Hainbachhof GbR bewirtschaftet insgesamt 140 ha landwirtschaftliche Fläche, davon sind 30 ha dem Weinbau vorbehalten. Im Zuge der Flurbereinigung hat man sich in Hochstadt dem Thema Nachhaltigkeit angenähert. Landschaftselemente und grüne Wege sollen zur Biotopvernetzung beitragen und den Sonderkulturcharakter der Landschaft auflockern. 

 

Digitale Lösungen für die Artenvielfalt 

Nicht weit entfernt von Hochstadt liegt der Hof von Dominique Bellaire. Er wirtschaftet bereits in dritter Generation auf dem Schmiedhof in Neupotz. Die 4. Generation steht bereits in den Startlöchern und möchte den 400 ha-Betrieb weiterführen. Aus diesem Grund stellen die Bellaires den Betrieb für die Zukunft auf. Risikodiversifizierung ist hier das Stichwort. Der Gemischtbetrieb verbindet Milchviehhaltung und Direktvermarktung mit Ackerbau und Sonderkulturen wie den Tabak. Alle Flächen bewirtschaftet Bellaire nach dem Prinzip des integrierter Pflanzenschutzes, unterstützt von digitalen Werkzeugen. "Mein Ziel ist es nicht, die Produktion zu maximieren, sondern sie zu stabilisieren", sagte er. 

 

Mithilfe von Prognosemodellen behandelt Bellaire seine Fläche abhängig vom Befall. Bei Düngung und Aussaat setzt er ebenfalls auf teilflächenspezifische Lösungen. Dank der guten digitalen Ausstattung ist der Betriebsleiter in der Lage, Schutzzonen für die Feldlerche und andere bodenbrütende Arten in größere Felder und in die laufende Bewirtschaftung zu integrieren. Biodiversitätsstreifen mit Wildkräutern und Blumen rahmen die Felder des Schmiedhofs ein. "Wenn diese Streifen mehrjährig sind, locken sie viele Insekten an, auch die Zahl der Nützlinge erhöht sich", sagt er. 

 

FarmNet überwacht die biologische Vielfalt 

Der Schmiedhof ist Teil des BASF FarmNetzwerks Nachhaltigkeit, ein Projekt, das 2013 gestartet wurde und nun nach zehn Jahren ausläuft. Die Ergebnisse des zehnjährigen Projekts zeigen, dass die Zahl der Feldlerchen um fast 40% zugenommen hat und dass die Populationen von bodenbrütenden Arten, Wildkräutern und Insekten deutlich gestiegen sind. Das Netzwerk ist auch eine wichtige Kommunikationsplattform, die Landwirtschaft und Umweltschutz zusammenbringt. Für Dominique Bellaire ist es wichtig zu zeigen, dass sich mit nachhaltiger Landwirtschaft produktiv wirtschaften lässt.

Lisa Bellocchi, Präsidentin der ENAJ, bedankt sich bei Christian Seelmann, Leiter Technik Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG, für die Unterstützung der Pressetour.
Foto: Seuser

Gemüsegarten Pfalz

Einen anderen Weg geht der Obst- und Gemüsehof Fehmel in Mutterstadt, ein Familienbetrieb, der auf Wachstum und Regionalität setzt. Das Unternehmen bewirtschaftet 350 Hektar Freilandanbau mit den Kulturen Rettich, Bundzwiebeln, Kohlrabi, Petersilie, Dill, Rhabarber, Feldsalat und zur Lagerung Kopfkohl rot und weiß sowie Chinakohl. Das Sortiment wird stetig erweitert bzw. an die Nachfrage angepasst. Auf 35 ha stehen Hochtunnel für den Anbau von Himbeeren.

Außerdem bewirtschaftet die Familie Fehmel seit 10 Jahren einen Bio-Betrieb mit 25 ha. Dort wachsen auf Freiland Kräuter, Rhabarber, Bundzwiebeln und Himbeeren. Hinzu kommen 3 ha Kulturen im Hochtunnel. 

Die Ernten vermarktet Peter Fehmel komplett in Eigenregie über den Großhandel und über Direktbelieferungen an den Lebensmitteleinzelhandel. Der Betrieb ist so breit aufgestellt, dass in Mutterstadt nahezu das ganze Jahr Erntezeit ist. Die beginnt Anfang März mit Winterzwiebeln und geht bis Ende Oktober mit Himbeeren. Danach folgen noch Kohlrabi und über den kompletten Winter hinweg läuft die Feldsalaternte.

Die größte Herausforderung, um sich auf dem Markt bewähren zu können, sieht Peter Fehmel genau in diesen Anpassungsstrategien. Hier hat das Lebensmittelhandwerk/der Lebensmitteleinzelhandel eine Schlüsselfunktion. Die Fragen, die sich Fehmel beantworten muss, reichen von „Funktionieren die Marken "aus der Region", "unsere Heimat", deutsche Produktion, "Bio" noch? Wird der Handel uns treu bleiben? Wenn ja, zu welchem Preis?“ „Die entscheidende Frage aber lautet: wie schaffe ich es, konkurrenzfähig zu bleiben mit hohen Standards bei gleichzeitig steigenden Kosten“, so Fehmel.

 

Krumme Sachen

Die Ehefrau von Peter Fehmel heißt Heike. Und „von Heike“ kommt ein gänzlich anderes Konzept der Vermarktung, das aber nicht minder erfolgreich ist und genau den Zeitgeist trifft. 

„Obst und Gemüse wächst nicht nach dem Lineal. Aber guter Geschmack ist auch keine Frage der Maße“, meint Heike Fehmel. Was für den Handel zu krumm oder zu eigen ist, kann seine Qualitäten anderweitig gut entfalten. Das ist ihr Ding. Zu Beginn verarbeitete sie ausschließlich eigene Produkte, inzwischen muss sie zukaufen, jedoch nur aus der Region und aus bekannter Herkunft. 

Das Hobby des Einkochens von eigenen Erzeugnissen, begonnen vor 30 Jahren, ist längst zu einem professionellen Geschäft gewachsen. Eingekocht und eingeweckt wird in einer Profi-Küche. Heute vermarktet Heike Fehmel ca. 140 Artikel, die Produktionsmenge beträgt ca. 300.000 Einheiten/Jahr. Nachfrage Tendenz steigend. Die Vermarktungswege sind so vielfältig wie Heikes Produktpalette. Bauernmärkte, Hofläden oder der regionale Lebensmitteleinzelhandel sind neben dem Online-Shop Beispiele.

 

Länderspezialitäten

Diese Low-budget ENAJ-Pressereise war ein gelungenes Beispiel für die Aktivitäten des Europäischen Netzwerks Europäischer Agrarjournalisten (ENAJ) und dafür, wie das europäische Netzwerk den Informationstransfer über die Grenzen hinaus unterstützt. Ein besonderer Dank für diese Reise geht an die Sponsoren, die Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG RWZ und die BASF, ohne deren Unterstützung solche Initiativen kaum möglich wären.