Felßner will Borchert umsetzen
Günther Felßner will eine Trendumkehr in der Tierhaltung. Sollte er Bundeslandwirtschaftsminister werden, werde er alles daransetzen, den Rückgang zu stoppen und den Tierhaltern wieder Perspektiven zu geben, sagte der CSU-Ministerkandidat am Mittwoch (19.2.) bei einer Veranstaltung der Berliner Landesgruppe im Verband Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ).
Felßner bekräftigte seinen Plan, das Borchert-Konzept für einen langfristigen Umbau der Tierhaltung umzusetzen. „Wir brauchen eine Aufbruchstimmung in der Tierhaltung“, so Felßner. Einer Finanzierung des Umbaus über eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Erzeugnisse erteilte er erneut eine Absage. Dies wäre nach seiner Einschätzung „das falsche Signal“, weil auf diese Weise der Fleischverzehr stigmatisiert würde.
Stattdessen schwebt dem CSU-Politiker vor, die Kosten aus dem Gesamtaufkommen der Mehrwertsteuer zu begleichen. Felßner sieht die tierische Erzeugung als einen wesentlichen Bestandteil der notwendigen Transformation des Agrarsektors. Hinweise auf die Klimaschädlichkeit weist er zurück. Man brauche eine „veränderte Grunderzählung“ zur Tierhaltung.
Nicht nur verwalten
Der Präsident des Bayerisches Bauernverbandes (BBV) kündigte an, als möglicher Minister einen intensiven Austausch mit allen Beteiligten zu suchen: „Ich werde die Stakeholder an einen Tisch holen.“ Eine Novelle des Düngegesetzes will er unverzüglich auf den Weg bringen. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hält er für nicht praktikabel und will es stoppen. Mit der Wiedereinführung der Agrardieselrückvergütung werde eine unionsgeführte Bundesregierung ein Versprechen einlösen, welches CDU und CSU anlässlich der Bauernproteste im vergangenen Jahr gegeben hätten.
Für Felßner ist klar, dass er „den einen oder anderen Posten“ im Bundeslandwirtschaftsministerium neu besetzen wird, sollte er ins Ministeramt berufen werden. Generell brauche man im Ministerium Leute, „die gestalten und nicht nur verwalten wollen“. Er wolle dazu beitragen, dass auch hier eine Aufbruchstimmung entstehe. Sollte es nichts werden mit dem Eintritt in die Bundesregierung, will Felßner sein Amt als BBV-Präsident fortführen: „Ich spiele da, wo ich aufgestellt werde.“
Wie „tickt“ das Land?
Die anschließende Diskussion mit Professorin Dr. Claudia Neu und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Janna Luisa Pieper, vom Göttinger Lehrstuhl Soziologie Ländlicher Räume zeigte Studienergebnisse auf, wie Landwirtschaft und die Bevölkerung ländlicher Räume kurz vor der Bundestagswahl politisch „ticken“. Bei den Landtagswahlen 2023 in den ostdeutschen Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg wählten 35 bis 37 Prozent der ländlichen Wähler die AfD, erinnerte Claudia Neu. Auch die Landwirtschaft habe sich den Rechtspopulisten stärker zugewandt. Bei der EU-Wahl waren es 18 Prozent AfD-Wähler, drei Jahre zuvor zur Bundestagswahl 2021 nur acht Prozent. 34 Prozent der Wähler vom Land stimmten zur Europawahl für die CDU/CSU.
Menschen fühlen sich „abgehängt“
Claudia Neu sieht Grund für die Wahl rechter Parteien hauptsächlich in den ungleichen Lebensverhältnissen von Stadt und Land (u.a. medizinische Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten) und in Zukunftsängsten. Unterschiedliche demographische, soziale, ökologische und infrastrukturelle Bedingungen vor Ort sowie tradierte kulturelle Unterschiede sorgten für Wahlerfolge der AfD.
Vor allem in strukturschwachen, „weniger prosperierenden" Regionen fühlten sich mehr Bewohner „abgehängt“ und nicht mehr „wahrgenommen“. Im Vergleich zu Westdeutschland (8 Prozent) beschrieben sich mehr als doppelt so viele Ostdeutsche (19 Prozent) als abgehängt. Das Deutschland-Monitor 2024 zeige, dass selbst in ostdeutschen Regionen mit hoher Prosperität deutlich mehr Menschen rechts wählen als in entsprechenden Regionen Westdeutschlands. Die Parteien der demokratischen Mitte seien jetzt gefordert, entschlossen und zielorientiert zu handeln, forderte Neu. Notwendig sei eine Politik des Zusammenhalts, für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und flächendeckende Daseinsvorsorge und eine Politik für die Erhaltung und den Ausbau von Orten der Begegnungen. Eine „Kommunikationswende“ durch das Ersetzen vorhandener Angstnarrative und eine stärkere politische Bildung in ländlichen Räumen vervollständigten das politische Handeln der demokratischen Mitte.
Rechtspopulisten auf Stimmenfang
Janna Luisa Pieper unterstrich die Ergebnisse ihrer Befragungen während der letztjährigen Bauernproteste, wonach Rechtspopulisten die Menschen in der Landwirtschaft als eine ihrer Zielgruppen sehen würden. Vor allem über die Kanäle von Social Media würden mit hoher Schlagkraft Informationen und Fake News gesendet und geteilt. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssten mit heftigen, unsachlichen Reaktionen auf Veröffentlichungen ihrer Studienergebnisse rechnen. Zur anstehenden Bundestagswahl hätten die anderen Parteien zwar ihre Social Media-Aktivitäten verstärkt, erreichten jedoch noch nicht die Intensität und den Umfang der AfD.
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