21.07.25
Martina Leißner, freie Agrarjournalistin

Einblicke in Deutschlands größte Solidarische Landwirtschaft

Die bayerische Landesgruppe hat sich auf den Weg nach Oberschweinbach gemacht, um eine alternative Form der Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung kennenzulernen. Vor den Toren Münchens zeigt das Kartoffelkombinat, wie solidarische Landwirtschaft groß gedacht werden kann.

Daniel Überall empfängt uns herzlich in der Gärtnerei des Kartoffelkombinats. „Was bedeutet Solidarische Landwirtschaft? Und was ist daran besonders?“, fragt er und stellt unser Wissen gleich zu Beginn auf die Probe. Gemeinsam mit einem Mitgründer baute er 2012 die Genossenschaft auf. Beide waren unzufrieden mit der bestehenden Lebensmittelversorgung und wollten zeigen, dass es auch anders geht. Ihre Vision: Menschen zusammenbringen, die gemeinsam regionale, saisonale und ökologische Lebensmittel anbauen. 

Vom kleinen Acker zum großen Kombinat

Alles begann 2012 mit einer kleinen Biogärtnerei in Eschenried. Vier Jahre später wagte die Genossenschaft den nächsten Schritt: Sie kaufte einen landwirtschaftlichen Betrieb bei Mammendorf und pachtete weitere Flächen hinzu. Heute bewirtschaftet das Kartoffelkombinat 34 Hektar Land und versorgt mehr als 2.300 Mitgliedshaushalte im Raum München. Zum Vergleich: Die meisten Solawis in Deutschland zählen 120 bis 140 Mitglieder. Rechnet man pro Haushalt drei bis vier Personen, ernährt das Kartoffelkombinat inzwischen 5.000 bis 6.000 Menschen.

50 Kulturen und viel Experimentierfreude

Daniel führt uns über das Gelände. Zwischen Gewächshäusern und Feldern wachsen über 50 verschiedene Kulturen: Stangensellerie, Brokkoli, Spitzkohl, Lauch, Rettiche, Mairübchen, Asia-Salate, Mangold, Buschbohnen, Kürbisse, Kräuter und natürlich Kartoffeln.

„Wir probieren immer Neues aus“, erzählt er. Wassermelonen und Zuckermais sind nur zwei Beispiele. Selbst bei den Tomaten braucht es Kreativität: Weil die Gebäudetechnik in den alten Gewächshäusern nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, setzen Ventilatoren die Luft in Bewegung und leiten Feuchtigkeit ab. Zwischen den Reihen wächst Rasen, der Morgentau sammelt sich an den Halmen und hält die Tomaten trocken.

Nur der Apfelgarten bereitet Sorgen. Der 25 Jahre alte Bestand ist vom Schwarzen Rindenbrand befallen und muss weichen. Hier sollen bald neue Gemüseflächen entstehen.

Was landet in den Kisten?

In der Kühl- und Packhalle zeigt Daniel den Ernteanteil dieser Woche: Kartoffeln, Spargelsalat, Bundzwiebeln, Brokkoli, Gurken und Salat. Dazu gibt’s den „Kartoffeldruck“, ein Magazin mit Neuigkeiten aus der Gärtnerei, saisonalen Tipps, Mitmachaktionen und Terminen.

Für alle, die nicht wissen, was sie mit Spargelsalat & Co. kochen sollen, bietet die Web-App über 800 Rezepte.

Über 38 Menschen, die mit anpacken

Im Kartoffelkombinat arbeiten mehr als 38 festangestellte Mitarbeiter:innen und Auszubildende. Das Gärtnerei-Team sät, pflanzt, pflegt und erntet. Das Pack-Team füllt wöchentlich 2.300 Kisten – die sogenannten Ernteanteile. Das Fahr-Team liefert diese an über 130 Verteilpunkte im Raum München. Und das Organisations-Team hält alles zusammen: von Personal und Logistik bis hin zu Mitgliederkommunikation und Finanzen. 

So funktioniert Solidarische Landwirtschaft

Die Mitglieder erwerben einen Genossenschaftsanteil und zahlen einen monatlichen Beitrag. Damit finanzieren sie gemeinsam Anbau, Löhne und Logistik. Die Ernte wird zu gleichen Teilen auf alle verteilt – alle teilen sich auch das Risiko. Arbeitspflichten gibt es keine. Wer möchte, kann aber freiwillig mit anpacken, etwa beim Pflanzen oder Ernten.

Ernährung neu gedacht

Das Ziel: eine Ernährung, die unabhängiger, transparenter, nachhaltiger, ressourcenschonender und sozial gerechter ist. Die Mitglieder wollen wissen, woher ihr Essen kommt – und faire Bedingungen für Mensch und Natur schaffen. 

So entstand eine Alternative zu industriellen, profitorientierten Agrarstrukturen – und ein lebendiges Beispiel dafür, dass gemeinwohlorientiertes, nachhaltiges Wirtschaften mit regionalen Kreisläufen und fairer Bezahlung möglich und sinnvoll ist.

Das Erfolgsgeheimnis

Heute ist das Kartoffelkombinat nicht nur die größte Solidarische Landwirtschaft Deutschlands. 2024 wurde es mit dem EU Organic Award ausgezeichnet und ist seit Februar die erste Slow-Food-Farm des Landes.

Was das Erfolgsgeheimnis ist? Daniel Überall lacht: „Naivität und Größenwahn.“ Bei der Gründung waren alle Quereinsteiger – und genau das hat ihnen die Freiheit gegeben, Landwirtschaft neu zu denken.

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