Pressegespräche in Zeiten von Corona mit digitalen Gästen: Landfrauenpräsidentin und Brüsseler Agrarexperte

Die Landesgruppe BE/BB/TH/SN des VDAJ hatte im Mai und Juni 2020 zwei interessante Persönlichkeiten zu Gast, in Coronazeiten selbstverständlich in virtueller Form per Video-Pressegespräch. Die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes (dlv), Petra Bentkämper, seit 11 Monaten im Amt, managte den Verband in den vergangenen Corona-Monaten per Videokonferenzen hauptsächlich vom heimischen Schreibtisch aus. Das schließt jedoch nicht aus, dass die oberste Landfrau sehr präzise Vorstellungen und Konzepte entwickelte sowie neue Initiativen startete. Professionell und recht erfolgreich führt sie darüber die öffentliche Debatte wie u.a. Ende Februar mit ihrem starken Interview in der FAZ zu ihrer Forderung nach einer Frauenquote von 30 Prozent in Gremien landwirtschaftlicher Organisationen.

Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes (dlv) stand in einem Videopressegespräch den Mitgliedern der Landesgruppe BE/BB/TH/SN Rede und Antwort zu ihren verbindlichen und politischen Zielen und Initiativen.
Foto: Michael Lohse

Petra Bentkämper eröffnete auch gleich unser Video-Pressegespräch, diese Forderung zu erneuern und zu begründen. „Mehr Frauen in Schlüsselpositionen landwirtschaftlicher Organisationen, anders ist das Ziel eines jüngeren und weiblicheren Verbandes nicht zu erreichen“, zeigte sie sich überzeugt und kämpferisch. Die bisher ablehnende Haltung der Spitzenvertreter des Deutschen Bauernverbandes, wie zuletzt des DBV-Vizepräsident Werner Schwarz, enttäusche sie, entmutige aber nicht. „Frauen stecken die Köpfe nicht in den Sand. So eine Reaktion war zu erwarten, hindert uns aber nicht, an der Richtigkeit des Vorschlages zu zweifeln. Es gibt genügend junge Unternehmerinnen, die sich in der landwirtschaftlichen Interessenvertretung engagieren und den agrarpolitischen Entwicklungen neue Impulse und Durchschlagskraft geben würden.“

Entschlossen zeigte sich Bentkämper auch beim politischen Engagement gegen Rechts. Mit der Kampagne „Landfrauen zeigen Flagge“ wollen die Landfrauen „Haltung“ zeigen gegen rechte und fremdenfeindliche Angriffe in der realen wie virtuellen Welt. Unterstützung mit Fortbildung und die Kontakte zu Netzwerken leistet der Verband auch seinen Mitgliedern, wenn es um den Weg in die berufliche Selbstständigkeit geht („Gründungslotsinnnen“). Das interessante VDAJ-Gespräch mit der Landfrauenpräsidentin initiierte in der Folge zu einigen Artikeln und Interviews in der landwirtschaftlichen Fachpresse.

Dr. Jürgen Weis, Agrarexperte in der Ständigen Vertretung Deutschlands in Brüssel, diskutierte mit Mitgliedern der VDAJ-Landesgruppe in einer digitalen Konferenz die Aufgaben der deutschen Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020.
Foto: Michael Lohse

Die Ziele und Entscheidungen in der Agrarpolitik durch die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands und der Fortgang des Brexit standen kurz vor Beginn der Präsidentschaft zum 1. Juli 2020 im Mittelpunkt der Videokonferenz mit Dr. Jürgen Weis, Agrarexperte der Ständigen Vertretung in Brüssel. Weis klärte erst einmal auf, welche Möglichkeiten und Grenzen eine Ratspräsidentschaft setzt. Zuletzt hatte Deutschland diese Führungsrolle der europäischen Länder in 2007 inne. Inhaltlich wird im kommenden Halbjahr aus Aktualitätsgründen die wirtschaftliche Überwindung der Corona-Pandemie in der EU die große Herausforderung sein und ursprüngliche Ziele und Aufgaben eher in den Hintergrund stellen. Grundsätzlich wird eine Präsidentschaft in der EU laut Weis weniger vom Durchsetzen der eignen Vorstellungen bestimmt, vielmehr wird das Herbeiführen von Mehrheitsbeschlüssen erwartet, meist sogar von notwendiger Einstimmigkeit. Die eigene politische Position und Vorstellung ist dabei eher zurückzustellen, um tragfähige Beschlüsse durch alle Mitgliedsstaaten und die Trilog-Gespräche (EU-Parlament, Kommission, Rat) zu erreichen.

Der Begriff „gemeinsame Ausrichtung“ des Rates beschreibt laut Weis für Deutschland derzeit treffend die agrarpolitische Herausforderung der Ratspräsidentschaft. Agrarpolitisch notwendig und wegweisend werden die Diskussionen zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik mit einer Stärkung der Umwelt- und Klimawirkungen sowie zum mittelfristigen Finanzrahmen sein. Der Bauernverband hat bereits Entscheidungen anmahnt, jedoch Brüsseler Auguren erwarten diese kaum unter deutscher Präsidentschaft. Die Umsetzung der Strategie der EU-Kommission „Farm-to-Fork“ im Rahmen des Green Deal wird gleichfalls auf der Tagesordnung stehen. Zumindest wird es am Ende der der deutschen Ratspräsidentschaft mehr Klarheit geben, was politisch möglich ist und welche Grenzen es in den EU-Ländern gibt. Ebenso könnte das nationale Engagement der Bundesagrarministerin für das Tierwohl von weiteren EU-Ländern übernommen und Veränderungen beschlossen werden. Bereits unter finnischer Ratspräsidentschaft sowie in der neuen EU-Kommission zeichnete sich ein Stimmungsumschwung zu mehr Tierwohl und einer anderen Tierhaltung ab. Es wäre nicht überraschend, so Brüsseler Insider, wenn in der EU neue Tierwohl-Bestimmungen oder eine Kennzeichnung bindend eingeführt werden. Klimaschutz und die Verbesserung der Situation des Waldes werden weitere agrarpolitische Herausforderungen für die deutsche Ratspräsidentschaft werden.

Da es beim Brexit nach britischen Erklärungen keine Verlängerung über den 1. Januar 2021 hinaus geben wird, werden in den kommenden Wochen auch diese Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien intensiver geführt, wobei der Ausgang derzeit völlig offen ist. Aus agrarpolitisch Sicht sind nach Weis die Fischereifragen eine große Herausforderung, denn im Hoheitsgebiet Großbritanniens liegen große Fanggründe der EU und deutschen Fischwirtschaft. Der Rat wird im Oktober und Dezember unter Leitung der deutschen Landwirtschaftsministerin als Ratspräsidentin über die neuen Fangquoten und damit die Zukunft der europäischen Seefischerei verhandeln, besonders auch der mittelständischen Betriebe in Deutschland. Je nach Einigungsbereitschaft bei den allgemeinen Regeln zum EU-Austritt Grossbritanniens kann dies ein sehr schwieriges Unterfangen für die deutsche Ratspräsidentschaft werden.

Text: Michael Lohse