Zusammen geht es besser

VDAJ-/VDL-Besuchergruppe bei Termin mit Saalemühle + Dresdener Mühle

Wertschöpfung in der Kette, Nachhaltigkeit und kontrollierter Getreideanbau sind für die Saalemühle + Dresdener Mühle keine hohlen Worte, sondern Teil des Unternehmenskonzeptes.

 

„Wir kennen unsere Lieferanten und diese uns. Unser Getreide kommt hauptsächlich von Stammlieferanten und Vertragslandwirten“, erklärt Anja Twietmeyer, Mitglied der Geschäftsleitung in der Saalemühle in Alsleben. „Unsere Landwirte haben Vermarktungssicherheit über das ganze Jahr, es gibt eine börsenbasierte Preisfestsetzung mit Prämien oder ein Festpreismodell.“ Die Mühle hat zukünftig eine Getreideverarbeitungskapazität von rund 500.000 t Getreide pro Jahr und eine Lagerkapazität von 250.000 t Getreide und 15.000 t Mehl. Hier arbeiten 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 14 Azubis – die meisten direkt mit dem Getreide, das von ca. 350 Landwirtschaftsbetrieben kommt. Hergestellt werden Weichweizen-, Durum- und zunehmend mehr Dinkelmahlprodukte sowie thermisch und hydrothermisch veredelte Mehle zum Beispiel für Soßenbinder, bei denen der Kleber inaktiviert worden ist. In der Dresdener Mühle werden 200.000 t Getreide jährlich vermahlen, davon 160.000 t Weizen und 40.000 t Roggen. Sie kooperiert mit 150 Landwirten in diversen Erzeugergemeinschaften. Neben den Weizen- und Roggenmahlprodukten stellt die Dresdener Mühle auch stabilisierte Weizenkeime und Speisekleie her. In der eigenen Backstube untersuchen Anwendungstechniker die Backeigenschaften unterschiedlicher Weizensorten. Für die unterschiedlichen Mehle werden zu ca. 70 % A-Weizensorten verarbeitet, für spezielle Rezepturen werden insgesamt rund 20 % E-Weizen eingesetzt. „Die Mischungen werden vornehmlich nach den genetischen Eigenschaften der einzelnen Sorten zusammengestellt, erst dann kommen die Parameter“, erklärt Konstanze Fritzsch, Leiterin Vertragsanbau der Dresdener Mühle.

Wissen, wo es hingeht

„Dinkelmahlprodukte sind auf der Überholspur“, berichtet Anja Twietmeyer, Mitglied der Geschäftsführung der Saalemühle.

Die Saalemühle und die Dresdener Mühle produzieren und liefern rund um die Uhr jeden Tag Mehl an ihre Kunden aus, einige Fahrzeuge fahren mit Sondererlaubnis auch am Sonntag. Zu den Kunden gehören zumeist Weiterverarbeiter wie Handwerksbäckereien, Industriebäckereien, Nudelhersteller und viele andere Bereiche der Lebensmittelherstellung, aber keine Endkunden/Verbraucher. Eine Ausnahme ist das Abpacken von 1-kg-Packungen der Firma Kathi-Mehl in Halle. Ansonsten ist das Mehl aus Alsleben und Dresden am Ende fast überall zu finden, von der Fertigsuppe über Hefe-Klöße für die schnelle Küche, Snacks, Dresdener Christstollen, Zwieback, Pralinen bis hin zum berühmten „Präzisionskeks mit den Zähnchen“, dem Butterkeks. Gerade hier, so berichtet Twietmeyer käme es auf genau definierte Backeigenschaften an, damit die Höhe der Kekse immer gleich bleibt und die festgelegte Anzahl Kekse auch in die Packung passt. Jede Anwendung benötigt ein spezielles Mehl und damit eine spezielle Zusammenstellung diverser Getreidesorten und Getreidequalitäten.

Wertschöpfung in der Region halten

Kontrollierter Getreideanbau in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: Mit dem „Ährenwort-Qualitätsprogramm“ wird ein Rahmen vorgegeben, der unter konventionellen Bedingungen nachhaltiges Wirtschaften verfolgt und kontrolliert. Dabei stehen Sortenversuche und die ständige Umsetzung guter fachlicher Praxis im Fokus der Zusammenarbeit Landwirt-Mühle-Verarbeiter. Das gesamte Einzugsgebiet beider Mühlen für Getreide umfasst 500 landwirtschaftliche Betriebe mit 430.000 ha. Die Mühlen haben kurze Transportwege: „90 % unseres Getreides kommt aus einem Umkreis von 70 km. Bei den speziellen Getreidearten Hartweizen und Dinkel, die in Alsleben verarbeitet werden, kommen 95 % aus einem Umkreis von 120 km, die maximale Entfernung für Dinkel beträgt 300 km nach Brandenburg. Diese 95 % stehen für über 125. Mio. Euro Umsatz mit der regionalen Landwirtschaft“, verdeutlicht Twietmeyer. Der Herkunftsnachweis des Getreides ist bis zum Feld des Landwirts möglich. Es finden regelmäßige Feldkontrollen durch die Anbauberater der Mühle statt. Düngung und Pflanzenschutz erfolgen nach intensiver Begutachtung der Pflanzen. Im Anbau stehen mehrjährig geprüfte Getreidesorten mit hoher Backqualität. Die Mühle gibt jährlich eine Sortenempfehlung an die Landwirte heraus und kann so den Anbau der einzelnen Sorten beeinflussen. Wichtig sei hier neben den Backeigenschaften vor allem, dass möglichst gesunde und N-effiziente Sorten angebaut werden, um den Einsatz von PSM und Düngern zu reduzieren. Mit der flächenspezifischen Düngung und weiten Fruchtfolgen sollte damit die Versorgung mit Qualitätsweizen trotz Dünge-VO möglich sein. „Mit unseren Anbauberatern in der Praxis, unserem Handelspartner Baro und uns als verarbeitende Mühle schließen wir die Lücke zwischen Verbraucher und Erzeuger“, sagt Twietmeyer.

Wissen, wo es herkommt

„Ständig steigende Anforderungen an die Erhöhung der Lebensmittelsicherheit stehen Minimierungsstrategien bei Pflanzenschutzmitteln ohne gleichzeitige Marktregulierung gegenüber“, sagt Konstanze Fritzsch, Leiterin Vertragsanbau der Dresdener Mühle

Der Vertragsanbau wird mit den Landwirten zusammen gestaltet. Das Ziel ist eine langfristige Partnerschaft. „Wir hatten einmal den Fall, dass einem Landwirt seine Scheune abgebrannt ist. Als er dann seiner Lieferverpflichtung nicht nachkommen konnte, ist die Erzeugergemeinschaft eingesprungen“, erzählt Konstanze Fritzsch, die in Dresden für den Getreideeinkauf zuständig ist. „Wir kennen alle unsere Landwirte persönlich und wissen genau, auf welchen Feldern unser Getreide wächst.“ Wer als Landwirt für die beiden Mühlen Getreide anbauen will, muss die Cross-Compliance-Standards und die Anbaubedingungen erfüllen. So ist der Einsatz von Klärschlamm auf den Getreideflächen nicht erlaubt, Glyphosateinsatz zur Sikkation schon lange untersagt. Beim Dinkelanbau wird ein Anbau- und Lieferkontrakt abgeschlossen. Die Vermarktung erfolgt nach dem Preismodell Matif-Notierung Weichweizen zzgl. einer Prämie für franco-Lieferung von September bis Dezember des jeweiligen Erntejahres. Die Preisfixierung liegt, wie auch beim Weichweizen, in der Hand des Landwirts, er kann zu jedem Zeitpunkt (September, Dezember, März, Mai) preisen.

Projekt Blühstreifen

2019 ging ein neues Projekt „Blühflächen/Biodiversität“ der Mühlen an den Start. „Wenn man sich anschaut, welche Resonanz die Bienen-Bürgerbegehren in den vergangenen Monaten hatten, dann muss man sich dieser Diskussion stellen“, erklärt Twietmeyer. „Wir wollen positiv vorangehen und das Wort Nachhaltigkeit konkret werden lassen.“ 2020 werden es schon über 200 Hektar im Programm sein. Die Landwirte bekommen 650 €/ha, 500 € für den entgangenen Deckungsbeitrag und eine Pauschale von 150 € für das Saatgut. Die Bedingungen: Die Anlage erfolgt zusät zlich zu den Greening-Verpflichtungen und geht über die 5 % Ökologische Vorrangflächen hinaus. Es müssen mindestens fünf Arten in der Blühmischung sein, die weitere Gestaltung ob als eine gesamte Fläche, Pufferstreifen oder Blühstreifen im Feld obliegt dem Landwirt. Die Blühfläche muss in Anbindung oder räumlicher Nähe zu einem Weizen-, Durum-, Dinkel- oder Roggenschlag sein. „Die Einstiegshürde für die Landwirte sollte gering und so unbürokratisch als möglich sein, deshalb haben wir die Blühstreifen gewählt“, erläutert Twietmeyer. Eine dauerhafte Schlagunterteilung, etwa als Grünstreifen mit Gehölzen als Rückzugsraum, wäre wesentlich sinnvoller, würde aber zur Aberkennung als Ackerfläche und Wegfall der Flächenförderung führen. Hier müsse die Politik dringend handeln, fordert sie.

Wie geht es weiter?

„Die Erzeugung von Getreide gerät immer mehr zwischen den Fronten der Ansprüche von Erzeugern, Verarbeitern und Konsumenten“, erklärt Anja Twietmeyer. Erweiterte Fruchtfolgen und Blühstreifen mit vielen Arten, die Verminderung des Herbizideinsatzes, das Verbot der Azole und gleichzeitig die Forderung nach allergenfreiem Getreide ohne Spuren von Senf, Lupine oder Buchweizen und die Absenkung der Mykotoxin-Höchstmengen noch unter die gesetzlichen Standards durch den Einzelhandel seien nur einige der Fragen, die die Landwirte und die Mühlen in den kommenden Jahren beschäftigen. „Wir hatten auch schon die Forderung nach Verzicht auf Halmstabilisatoren aus dem Ausland, was bei gleichzeitiger Verringerung des Fungizideinsatzes nicht ganz einfach ist“, stellt Konstanze Fritzsch fest. Die gesamte Wertschöpfungskette befinde sich an einem schwierigen Punkt: Ständig steigende Anforderungen an die Erhöhung der Lebensmittelsicherheit stünden Minimierungsstrategien bei Pflanzenschutzmitteln ohne gleichzeitige Marktregulierung gegenüber – Herausforderung und Herkulesaufgabe zugleich. „Wir brauchen in der Landwirtschaft stabile Planungsgrundlagen und Verlässlichkeit als Basis für innovative Weiterentwicklung – und zwar verbrauchergetrieben aber ideologiebefreit“, sagt Anja Twietmeyer.

Text und Fotos: Angelika Sontheimer