Spiel mit dem Feuer: Seminar zum Burnout

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Burnout – die schleichende Gefahr war das Thema des Workshops der Landesgruppe Baden-Württemberg. Der Hof Waldhäusle war dafür gut gewählt.

160111_burnout_bw-6 160111_burnout_bw-7Beim Workshop „Burnout vermeiden“ lernte die Landesgruppe Baden-Württemberg die Gefahren des inneren Feuers kennen – und erhielt Tipps, wie es zu steuern ist. Gut so, denn Journalisten und Leistungsträger gehören zu den besonders anfälligen Gruppen für diese Krankheit. Der Ort war gut gewählt: Der Hof „Waldhäusle“ liegt

mitten im Hochschwarzwald bei Furtwangen, immer schmaler wird der Weg, bis man schließlich zum Ferienhaus der Familie Scherzinger kommt. Umsäumt von sanften Bergen und saftigen Wiesen schien allein die Landschaft auszureichen, um Stress, Überlastung, und Ärger zu verbannen.

Und dann die Gastgeberin: Eine Bäuerin vom alten Schlag, die nun die Geschäfte auf dem Biohof führt, 30 Hektar Grünland, 20 Kühe versorgt, dazu Urlaub auf dem Bauernhof als Nebenzweig betreibt und trotz dreier Kinder keine Klarheit über eine Nachfolge hat. Eigentlich müsste die Frau doch vor Problemen nicht mehr schlafen können ­– und was macht sie? „Ich habe Ihnen Kuchen gebacken.“ Das knappe Dutzend Kollegen konnte da nur staunen, Referent Rainer Wohlfahrth weniger. Die Welt finde im Kopfe statt und Frau Scherzinger habe ihr Gegenmittel gegen Burnout gefunden: Optimismus.

Das aber ist nicht jedem gegeben ­– ganz im Gegensatz zu den Dingen, die zum Burnout führen. Immer mehr Arbeit, wenig Anerkennung, in der Folge Stress in der Beziehung zu anderen – schon sind die Grundlagen für einen Prozess gelegt, an deren Ende der völlige Zusammenbruch stehen kann. Der Psychologe wusste eine Menge prominenter Beispiele, vom heutigen Sportdirektor Ralf Rangnick des Fußballclubs RB Leipzig, über TV-Koch Tim Mälzer bis hin zu Matthias Platzeck, einst Hoffnungsträger der SPD. Daneben ganz normale Menschen: ein Weinbauer, der plötzlich nicht  mehr wusste, was im Weinberg zu tun war, eine Hausfrau, die nicht einmal mehr eine Waschmaschine ansetzen konnte.

Die solcherart Ausgebrannten einte ihr Profil: Überdurchschnittlich engagiert, meist im Rampenlicht stehend, mit viel Verantwortung. Gerade das wird heute in den Redaktionen gefordert. Stress ist die Folge, aber das müsse nicht gleichbedeutend mit Burnout sein, erläutertet der Referent. „Ohne Stress können wir gar nicht leben“. Das innere Feuer treibt einen an, sorgt für Leistung und Erfolg. Wichtig sei aber die Balance zwischen Stress und Erholung.

Wie bei einem Stausee fließe Energie zu, etwa durch Anerkennung, Freude an der Arbeit, Erfolge und Spaß. Durch Stress, Ärger, Überlastung fließt sie ab. Die Gastgeberin hatte ihre Balance da offenbar gefunden: Sie gleicht die harte Arbeit mit dem Bewusstsein um den Wert der eigenen Tätigkeit aus, mit Optimismus und dem Stolz auf zufriedene Gäste. Auch wenn man als Journalist ein Heft fertig gestellt habe, solle man sich die Zeit nehmen, es in Ruhe zu genießen und neue Kraft zu schöpfen, riet der Rainer Wohlfahrth. Denn wenn aus dem Energiesee mehr abfließt als reinkommt, ist der bald leer – Burnout.

Akribisch legte der Psychologe den Prozess offen: In der ersten Phase zeigen sich die Mitarbeiter übermäßig engagiert, halsen sich viel Arbeit und zusätzliche Aufgaben auf. Die Folge: Die Arbeit bestimmt bald das ganze Leben, die Beziehungen zu anderen leiden und der Burnout-Kandidat vernachlässigt sich selbst. In der nächsten Phase müssen sich die Überengagierten eingestehen, dass sie sich zu viel aufgeladen haben. Doch oft trauen sie sich nicht, das Engagement zurückzufahren. Stattdessen machen sie noch mehr.

Doch das reicht nicht, Gefühle von Inkompetenz, Mangel an Anerkennung, Macht- und Erfolglosigkeit machen sich breit. Hilflos dann die Reaktionen: Aggressivität, Schuldgefühle und Selbstentwertung. „Stellen Sie sich einmal vor, das, was Sie über sich denken, sprechen Ihre Frau oder andere aus“, sagte Rainer Wohlfahrth. „Sie wären empört.“

Es folgt der Einbruch, sichtbar etwa daran, dass der Betroffene seine Aufgaben immer weniger strukturiert angeht, in der Leistung nachlässt, kaum noch entscheiden will und sich gegen alles Neue wehrt. „Das baut sich ganz langsam auf und kann Jahre dauern“, warnte der Referent. Dabei fühlt sich der nun schon Ausgebrannte verzweifelt; nichts scheint zu klappen, nichts scheint mehr Sinn zu haben. Am Ende steht dann der völlige Zusammenbruch. Das hat Folgen: Der Ausfall trifft auch die Kollegen und die Therapie dauert Monate.

Nun sah man an den Gesichtern, wie jeder die eigene Situation einschätzte. Überlastung, Stress, nervig bimmelnde Telefone zur falschen Zeit – das kennt wohl jeder Redakteur. Wie nah die Kollegen am Burnout sind, sollten dann unterschiedliche Übungen und Tests zeigen. Das gab für manchen der Journalisten wertvolle Erkenntnisse.

Doch fast noch wichtiger ist es, den Prozess zu stoppen und umzukehren. Und das geht. Denn im Gegensatz zur Depression kämpft man beim Burnout gegen lösbare Probleme, ein Ausstieg aus dem Teufelskreis ist möglich Einige Strategien hatte der Referent parat.

Schon die Eigenanalyse kann einen da weiterbringen: Wo fühle ich mich unter Druck? Was überfordert mich? Was kann ich abgeben? Woraus ziehe ich Kraft?, sind dort Schlüsselfragen. Übungen zum Entstressen wie die „Kopf-Lerräumliste“ und das Formulieren eigener Ziele gehörten ebenfalls zu den praktischen Übungen des Seminars. Ein Test: „Wann haben Sie sich das letzte Mal kritisiert und wann gelobt?“ Nichts bringe dagegen die schnelle Ablenkung durch TV, Spielen und Action ohne wirkliche Befriedigung, meinte Rainer Wohlfahrth. Gerade die neuen Medien seien da gefährlich. „Burnout-Leuten würde ich sämtliche technische Dinge wegnehmen.“ Frische Luft, Abgeschiedenheit, Konzentration auf sich selbst und die wirklichen Bedürfnisse seien gute Methoden, um den Energiesee wieder aufzufüllen. Es klang ganz nach einem Urlaub im Waldhäusle. Der Ort war eben gut gewählt, um etwas für sich und andere zugleich zu tun.

Burnout kompakt

Der Begriff „Burnout“ tauchte erstmals 1974 in den USA auf.  Psychisch „ausgebrannt“ waren nach dem Psychologen Herbert Freudenberger vor allem besonders engagierte und pflichtbewusste Menschen. Die Krankheit bezeichnet ein Syndrom aus emotionaler Erschöpfung („Mir ist das alles zuviel“), Depersonalisation („Ich kann keinen mehr sehen.“) und eingeschränkter Leistungsfähigkeit („Ich schaffe nicht mal diese Kleinigkeiten.) Zu den Ursachen gehören komplexere Aufgaben, ein schwierigeres (Arbeits)Umfeld, das Gefühl unzureichender Anerkennung, aber auch Belastungen in Familie, Haushalt und Freundeskreis.

Betroffene merken das etwa am nachlassenden Engagement, der Unfähigkeit, sich selbst im Urlaub zu erholen, chronischem Zeitdruck, erhöhter Reizbarkeit, Schlaflosigkeit und zunehmenden Fehlern bei der Arbeit. Auch die Anfälligkeit für Krankheiten steigt.