Eins für (fast) alles

 Nur mit dem Handy auf Termin? Das ist kein Wagnis mehr. Mittlerweile können die neuen Geräte nicht nur fast alles, sondern sie können es auch so gut, dass man getrost zumindest einen Teil der Ausrüstung zuhause lassen kann. Ein Seminar das Landesverbandes Baden-Württemberg zeigte die ungeahnten Fähigkeiten der Smartphones.

Auf der Grünen Woche blitzte es wie bei einem Gewitter. Immer wieder zückten die Besucher ihre Telefone, um das vom Aussterben bedrohte Dülmener Pferd, den Stand des eigenen Bundeslandes oder Prominente wie Skisprung-Legende Jens Weißflog zu fotografieren, der dieses Mal „in Thüringen“ zu entdecken war. Mitten unter ihnen, aber mit etwas mehr Auge, die Journalisten aus Baden-Württemberg. Auch sie hatten zuweilen nur wenig mehr dabei als das Smartphone, denn in ihm stecken Kamera, Diktiergerät, Notizblock und Terminkalender – und nicht nur das.

Wie man die Geräte namens Samsung Galaxy, Sony Xperia oder Apple iPhone richtig nutzt, hatten sie zuvor auf dem letzten Seminar des Jahres 2013 auf dem Rochbacher Hof in Bruchsal gelernt und dabei Erstaunliches erfahren. Denn der Referent Daniel Jansen-Piskoric räumte nicht nur mit dem Vorurteil auf, dass die Geräte zwar alles, aber nichts richtig können, sondern gab dem guten Dutzend Kollegen auch nützliche Tipps, die sich unter anderem auf der Grünen Woche auszahlten.

Konkret geht es im Workshop um die Frage, ob ein Smartphone die klassische Journalistenausrüstung aus Terminkalender, Notizblock, Kamera und Diktiergerät ersetzen kann und die Antwort fiel eindeutig aus: Ja. Moderne und hochwertige Smartphones können das und sie können zudem noch mehr, etwa die Zusammenarbeit von Kollegen vor Ort und in der Redaktion erleichtern.

Wie das geht, wusste der Referent für Einsteiger anschaulich dazustellen, ohne beim Vortrag die Tiefe auszusparen. Denn Daniel Jansen-Piskoric ist Projektmanager der Agentur agro-kontakt, arbeitet seit 13 Jahren in der Branche und entwickelt selbst Apps für Smartphones. Diese „Applications“ sind es letztlich, die den Nutzen der Geräte bestimmen. Von den meisten genutzt werden Mail, Kalender, Adressbuch und Notizfunktion.  Diese „Brot- und Butter-Apps“ übernehmen den Löwenanteil, auch mit Navigation und Bahn-Auskunft sind die meisten Besitzer vertraut. Doch das Smartphone kann viel mehr. Da wäre zum einen die Organisation, in Zeiten knapper Zeiten ein dickes Plus für die Redaktion. Denn mit einem gemeinsamen Kalender lässt sich stets sehen, wo ein Kollege ist und ob er Zeit hat. So kann man ihn rasch weiterbeordern, wenn es einmal brennt.

Auch ist es möglich einen Text per Handy in die Redaktion zu schicken, wo ihn der Redakteur bereits einpassen kann, während der Reporter noch unterwegs ist. Das Prinzip – sowohl bei Kalender, Mails und Kontakten als auch bei Texten und Bildern – beruht darauf, dass sie direkt im Internet hinterlegt werden, aber nur die zugelassenen Personen sie einsehen und bearbeiteten können. Das wird auch „Cloud“, also Wolke, genannt. Der Vorteil daran: Es gibt jeweils nur eine aktuelle Fassung, der Abgleich von Daten von Handy zu PC zu Laptop entfällt damit. Outlook.com und Google Mail sind da die prominentesten Plattformen. Leider haben die jüngsten Abhörskandale vor allem des US-Geheimdienstes NSA gezeigt, dass dieser Weg zwar sehr praktisch, aber leider nicht immer sicher ist. „Sicher ist man nicht“, so der Referent. Neben dem selbstverständlichen Schutz über Passwörter helfe es einstweilen nur, sensible Daten wie Zugangscodes nicht im Internet zu hinterlegen.

Doch wie steht es mit den klassischen Funktionen im Journalismus? Zum Diktiergerät und Notizblock lässt sich das Handy noch relativ einfach umfunktionieren, dagegen sollte man bei der Kamerafunktion sehr genau hinschauen, riet Jansen-Piskoric. „Wenn Sie ein Top-Modell kaufen, entstehen auf jeden Fall nutzbare Fotos“, sagte der Experte. Ein Cover oder einen ganzseitiger Aufmacher sei allerdings mit dem Handy immer schwierig. Dafür erlaubt das Zubehör wie etwa eine Haltestange auch ungewöhnliche Perspektiven und die Bilder können die direkt vom Gerät in die Redaktion gesendet werden. Auf alle Fälle nützt die Kamerafunktion bei der Dokumentation und bei der richtigen Auflösung – es reichen schon 1000 Pixel in der Breite – für den Internetauftritt.

Angesichts der Informationsflut sah man in der Runde viele staunende Gesichter. „Das Leben wird leichter, ich werde einiges zuhause umsetzen“, freute sich Volontärin Gisela Ehret (27) von der Badischen Bauernzeitung. Und auch Gerhard Bernauer, mit 60 ein alter Hase im Journalismus, wird sein Smartphone noch einmal anders nutzen. Auf alle Fälle eröffnet es viele Möglichkeiten. „Wenn Sie nur zehn Prozent der Möglichkeiten nutzen, ist es auf alle Fälle eine Erleichterung“, sagte Jansen-Piskoric. Es lohnt sich also, sich damit zu befassen – das nahmen wohl alle Teilnehmer mit. „Das waren vier Stunden Anregungen satt“, meinte Donat Singler, der das Seminar organisiert hatte zufrieden. Und deshalb sah man auf der Grünen Woche schon die ersten Kollegen, die zumindest gelegentlich auf die schwere Ausrüstung verzichteten. Hat man das eigene Nutzungsprofil erst einmal gefunden, könnte das bald der Alltag sein.

ZEHN TIPPS FÜR KAUF UND BETRIEB

1) Vertrag:

– möglichst nicht für 24 Monate abschließen, da der Markt in Bewegung ist, Kündigungsfrist sollte maximal drei Monate betragen

– auf dem Land ist das D-Netz (z.B. Telekom, 1&1) am stärksten, in den Städten genügt E-Netz (z.B. blau.de, O2)

2) Vertragsumfang:

– Telefon- und Internetflatrate mit einem Datenvolumen von mindestens 500 MB pro Monat

– beim Gerät immer die aktuelle Fassung wählen, damit alle Funktionen nutzbar sind

3) Betriebssystem:

– das meist genutzte Betriebssystem ist mit knapp 80 Prozent Marktanteil in Deutschland Google Android. Wer sich dafür entscheidet, hat einen offeneren Anschluss an den PC

– weitere Betriebssystem sind iOs (Apple, einfache Bedienung), Windows und Blackberry

4) Speicher

– fest verbauter Speicher mit mindestens 32 GB

– möglichst Erweiterung über Speicherkarte wählen – so können auch Texte vom Laptop oder Bilder von der großen Kamera aufs Smartphone überspielt und versendet werden

5) Grundausstattung:

– Telefonie, W-LAN für schnellen Internetzugang etwa in Hotels, Bluetooth für Kommunikation mit anderen Geräten, Kamera mit Video, gutes Mikro

6) Grundfunktionen

– Adressbuch, Notizbuch, Kalender, E-Mail, Internet, Kamera, Mikro

7) Fotografie

Problem: Verwacklung, Belichtung, Bildgröße

– für die Auswahl der richtigen Kamera daher Kameratests in Zeitschriften nutzen

– Kollegen fragen

8) Nützliche Apps

– Google (Internetrecherche), Google-Maps (Navigation), Bahn.de, aktuelle Verkehrsverbünde (öffentlicher Nahverkehr), evernote (Notizbuch), landapps.de (Fachangebote), Dropbox

Google Drive, wetransfer (Datenaustausch)

9) Diktiergerät

– iRig mit Möglichkeit zum Schneiden

– Dragon Dictation – setzt das Interview auch in Textform um

10) Datensicherheit

– Kennwort mit mindestens acht Zeichen

– Keine Begriffe aus dem Wörterbuch

– Sonderzeichen und Zahlen einstreuen

– mit Eselsbrücken arbeiten, z.B. Sprichwort abkürzen

Gewitter im Mai schreit der Bauer juchhei  = Gi05sdBj

– Autofill ausschalten

– Kennwörter nicht speichern, sondern besser klassisch notieren oder in einem verschlüsselten Dokument speichern