Dem Rübenkraut auf der Spur

Erstellt am Montag, 06. August 2012 12:47

Der eine oder andere kennt sie bestimmt. Insbesondere die Rheinländer greifen oft zu ihnen – den gelben Bechern mit der Aufschrift „Grafschafter Goldsaft“. Dieser Zuckerrübensirup, im Rheinland Rübenkraut genannt, ist das Hauptprodukt der Grafschafter Krautfabrik in Meckenheim bei Bonn.

Seit über 100 Jahren werden hier neben dem Zuckerrübensirup verschiedene süße Brotaufstriche produziert. Die Bonner Landesgruppe war Ende Oktober  zu Besuch bei Grafschafter und warf  einen Blick hinter die Kulissen des rheinischen Traditionsunternehmens.

Hochsaison herrscht bei Grafschafter. Seit Mitte September werden hier Rüben angeliefert und das Rübenkraut produziert. Und die Kampagne, die bis voraussichtlich Mitte Dezember andauern wird, läuft gut. „Ja, wir haben ein ganz hervorragendes Rübenjahr mit hohen Erträ-gen und einem außergewöhnlich hohen Zuckergehalt von über 18 %. Das ist über 1 % mehr als üblich“, stellte Matthias Krumbach, Leiter des Rübenbüros der Ktautfabrik, zufrieden fest. „Außerdem sind die Wetterbedingungen bis jetzt hervorragend und wir haben kaum Probleme mit schmutzigen Rüben.“ Die Grafschafter Krautfabrik verarbeitet  die Rüben von rund 150 Anbauern, die maximal 15 km von der Krautfabrik entfernt liegen. Am Tag werden dabei 600 t Zuckerrüben zu Sirup verarbeitet. Zum Vergleich: In der benachbarten Zuckerfabrik im rund 20 km weiter entfernten Euskirchen werden 11 000 t Rüben pro Tag zu Zucker verarbeitet. Die Rübensirupherstellung ist dabei unabhängig von der Zuckermarktordnung, de Rüben-anbauer schließen Anbau- und Lieferverträge mit der Krautfabrik ab.

Nachdem die Rüben abgeladen sind, werden Zucker- und Schmutzprozente ermittelt, denn auch für die Sirupherstellung braucht man Rüben mit viel Zucker und wenig Erdanteil. Vom Lagerplatz aus werden die Zuckerrüben über Wasser führende Schwemmrinnen, die zugleich der Vorwäsche sowie dem Entfernen von Blattgrün, Erden und Steinen und dem Transport der Rüben dienen, der Rübenwäsche zugeführt, wo sie mit warmen Kondensat weiter gereinigt werden. Dann werden die Rüben in der Schnitzelmaschine zerkleinert, allerdings etwas gröber als bei der Zuckergewinnung. Dann werden sie gedämpft bei etwa 105°C. „Dabei besteht die Kunst darin, die Kristallisation des Zuckers zu verhindern“, erläuterte Betriebsleiter Harry Leschik. „Dies gelingt durch das richtige Verhältnis von Saccharose zu Invertzucker. Reine Saccharose würde auskristallisieren, deshalb wird bei der Inversion ein Teil der Saccharose in Invertzucker umgewandelt.“ Nach rund acht Stunden kontinuierlichen Kochens wird der Dünnsaft abgesiebt und in der Eindickungsanlage Wasser bis auf einen Trockensubstanzgehalt von 78 % entzogen. Rund 12 000 t Rübensirup entstehen auf diese Weise aus den rund 50 000 t Rüben jährlich. Er lagert in großen Tanks, abgefüllt wird das ganze Jahr über je nach Bedarf. Hinzu kommen noch etwa 2 500 bis 3 500 t Biorüben, aus dem in einem anderen kleineren Betrieb Biorübensirup produziert wird.

Ziegel und Kraut aus einer Fabrik
In Meckenheim produziert Grafschafter bereits seit 1904 Rübensirup. Allerdings die Fabrik gibt es schon seit 1893, damals wurden dort Ziegel gebrannt. Die Ziegelproduktion wurde bis 1990 beibehalten. „Heute arbeiten hier in der Fabrik 90 Mitarbeiter, und zwar ganzjährig“, so Krumbach. Sie produzieren nicht nur Rübenkraut, sondern auch Apfel- und Birnenbrotaufstri-che sowie Karamellsirup. Die Äpfel und Birnen werden im September und Oktober angeliefert, ein Verarbeiter stellt daraus ein Vorprodukt her, das bei 10°C gelagert im Laufe des Jahres weiterverarbeitet wird. Jetzt in den Herbst- und Wintermonaten wird der Winterzauber aus Äpfeln und Birnen hergestellt, beispielsweise  als Apfelkraut mit Sultaninen, Zimt und Vanille. Und die Bonner Agrarjournalisten konnten sich dabei selbst davon überzeugen, wie lecker diese Brotaufstriche sind. Die verschiedensten Brotaufstriche durften verkostet werden und bei der Verkostung fehlte natürlich auch nicht der klassische Rübensirup.

Und dieser macht nach wie vor rund die Hälfte des Umsatzes des Meckenheimer Unternehmens aus. „Unser Rübensirup ist ein natürliches Produkt, denn wir geben nichts hinzu und nehmen nichts heraus“, versicherte Betriebsleiter Leschik. Drei Viertel des Rübensirups landen dabei im Lebensmitteleinzelhandel und beim Discounter in den bekannten 450-g-Bechern, der Rest geht an Bäckereien, Süßwaren- und Eiscremehersteller sowie Getränkefirmen. Wie Krumbach den Mitgliedern der Bonner Landesgruppe erläuterte, findet sich Rübensirup aber auch in Tomatenketchup wieder. Außerdem gibt es Tabaksirup und Printensirup für die bekannten Aachener Printen. Inzwischen wird Rübenkraut auch nach Nordamerika und Kanada exportiert. „Hauptabsatzgebiet für unser Rübenkraut ist und bleibt aber das Rheinland“, betonte Matthias Krumbach. Hier wird es zum Backen, als Süßungsmittel oder als Brotaufstrich, zum Beispiel mit Quark und natürlich im rheinischen Sauerbraten verwendet.

Elisabeth Legge