Agrarjournalisten aus Frankreich informieren sich über Landwirtschaft und Agrarpolitik

Wo liegt der Erfolg deutscher Landwirtschaft? Welche Akzente setzt grüne Landwirtschafts-politik? Diesen Fragen widmete der französische Agrarjournalistenverband AFJA (Associaci-on Française des Journalistes Agricoles) seinen diesjährigen Kongress vom 21. bis 22. Juni im Rheinland. 22 Kolleginnen und Kollegen aus dem Nachbarland nahmen teil.

Sie besuchten vier Familienbetriebe, informierten sich im Landwirtschaftsministerium in Bonn über die deutsche Agrarpolitik und veranstalteten ein Pressegespräch mit RLV-Präsident Friedhelm Decker, NRW-Minister Johannes Remmel und Norbert Lemken von Bayer Crop-cience. Auf den Betrieben lernte die Journalisten erfolgreichen Ackerbau, moderne Milch-viehhaltung, Obstbau, Direktvermarktung und Biogaserzeugung kennen. Bernhard Rüb hatte das vielseitige Besuchsprogramm organisiert.

Erfolg mit Selbstvermarktung
Erste Station war der Obstbaubetrieb Otto Schmitz-Hübsch in Bornheim-Merten, einer Obst-bauregion im Einzugsgebiet von Bonn, Brühl und Wesseling. Die Betriebsleiter Otto Schmitz-Hübsch und sein Sohn Roland Schmitz-Hübsch pflanzen auf 35 Hektar Äpfel, Birnen und Kirschen an und vermarkten das Obst ausschließlich über den ganzjährig geöffneten Hofla-den. Dieses Geschäftsmodell stieß auf großes Interesse. Roland Schmitz-Hübsch erklärte, dass der Betrieb unabhängig vom Preisdruck der Großabnehmer sei. Sogar einen Einkaufs-markt, der in der Nähe geplant sei, müsse er nicht fürchten. „Für uns ist das eine Chance, denn die Kunden werden zu uns kommen, um frisches Obst zu kaufen.“ Im Januar 2011 hat NRW-Landwirtschaftsminister Johannes Remmel dem Betrieb den Gartenbaupreis 2011 als Vorbild für Direktvermarktung auf dem Hof verliehen.

Schwarzes Gold in Frechen
Im Anschluss lud Cornel Lindemann-Berk auf seinen Ackerbaubetrieb in Frechen ein. Der Betrieb mit traditioneller Hofstelle aus Backstein liegt vor den Toren Kölns. Insgesamt bewirt-schaftet Lindemann-Berk 410 Hektar. Davon baute er 2010/2011 auf jeweils rund 100 Hektar Winterweizen und Sommergerste an, auf 61 Hektar Zuckerrüben, auf 74 Hektar Raps, auf 38 Hektar Hafer und auf 17 Hektar Kartoffeln. Bei den Kartoffeln setzt auch Lindemann-Berk auf Direktvermarktung. Das Erfolgsrezept ist ungewöhnlich: An den ungewaschenen Kartoffeln haftet schwarze, kohlenstaubbhaltige Erde, wie sie für die Region typisch ist. Die Kunden wüssten die besondere Qualität zu schätzen. Bei der Vermarktung vom Getreide orientiert sich der Betriebsleiter an Börsennotierungen und verkauft das ganze Jahr über an unter-schiedliche Abnehmer, um seine Risiken zu minimieren.

Milchvieh und Biogas
Der zweite Tag startete mit einem Besuch auf dem Schöpcherhof in Lohmar-Scheiderhöhe im Bergischen Land. Das Betriebsleiterehepaar Dr. Christoph Lüpschen und Birgit Lüpschen bewirtschaften 390 Hektar. Der innovationsfreudige Betrieb macht schon seit Langem von sich reden: Die Familie investierte bereits 2001 in einen Melkroboter, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Heute melken drei Merlin-Melkroboter die rund 180 Kühe. Vor drei Jahren setzte das Ehepaar auf Biogas als zweites Standbein. „Wir wollen den Betrieb zukunftssicher aufstellen, weil unser Sohn ihn übernehmen möchte“, erklärt Lüpschen den Schritt. Um das Investitionsrisiko zu begrenzen, gründeten sie die Biokraft Scheiderhöhe GmbH und nahmen Kooperationspartner mit ins Boot. Die 800 KW-Anlage Kofermentationsanlage wird mit der eigenen Rindergülle, der Gülle weiterer Milchviehbetriebe und Speiseresten betrieben; der erzeugte Strom in das öffentliche Stromnetz eingespeist.

Gastlichkeit im Bergischen Land
Letzte Station der Betriebsbesuche war Bauerngut Schiefelbusch im Bergischen Land. Helga und Albert Trimborn bewirtschaften den Familienbetrieb mit Milchvieh, Legehennenhaltung, Eiergroßhandel, Mastgänsen, Hofladen und einem breiten Dienstleistungsangebot. Zu den Dienstleistungen zählen das Bauernhofcafé, Ferienwohnungen und unterschiedliche Veran-staltungen wie zum Beispiel das Angebot einer Bergischen Kaffeetafel mit Brezel, Waffel und Milchreisbrei.

Deutsche Positionen finden und vertreten
Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Bonn-Duisdorf informierte Dr. German Jeub, Ministerialdirigent für EU-Politik und Fischerei über die Positionen der deutschen Agrarpolitik. Die Kollegen aus Frankreich interessierten sich insbesondere dafür, wie es um die Abstimmung der gemeinsamen Positionen mit den Län-derministerien bestellt sei. Dr. Jeub bestätigte, dass es bei einigen Fragen Meinungsver-schiedenheiten gäbe. In Brüssel, so der EU-Experte, spräche man aber mit einer Stimme.

Landwirtschaft, Politik und Wirtschaft im Dialog
Höhepunkt und Abschluss des Kongresses war das Pressegespräch mit Friedhelm Decker, Minister Johannes Remmel und Norbert Lemken von Bayer CropScience. Erik Massin, Prä-sident der AFJA, moderierte das Gespräch, bei dem es vorrangig um die Frage ging, wie sich Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz auf einen Nenner bringen lassen. Bei den grundsätzlichen Positionen – Klimaschutz als zentrale Herausforderung, Senkung des Flä-chenverbrauchs, zentrale Aufgabe der Landwirtschaft bei der Bekämpfung des Hungers – stimmten Decker, Remmel und Lemken überein. Bei der politischen Umsetzung – angesprochen wurde das NRW-Klimaschutzgesetz – hätte der Berufsstand allerdings andere Vorstellungen, so Decker. Erik Massin, Präsident der AFJA, zeigte sich nach dem Gespräch beeindruckt: „In Frankreich wäre es undenkbar, dass sich ein grüner Landwirtschaftsminister und ein Bauernvertreter an einen Tisch setzen.“ Das Hervorheben gemeinsamer Ziele und der Umgang mit unterschiedlichen Positionen seien erstaunlich. Der Besuch in Nordrhein-Westfalen habe sich aus Sicht der französischen Kollegen wirklich gelohnt.

Katharina Seuser

 

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22 Agrarjournalisten informierten sich auf dem Obstbaubetrieb von Otto Schmitz-Hübsch über modernen Obstbau und Selbstvermarktung. Ganz links im Bild: Roland Schmitz-Hübsch. Gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet er 35 Hektar mit Äpfeln, Birnen und Kirschen. Der Betrieb wurde im Januar 2011 mit dem Gartenbaupreis als Vorbild für Direktvermarktung auf dem Hof ausgezeichnet.